Wo bin ich denn da gelandet, fragt man sich, wenn man ohne genauer hinzuschauen, um wen es hier geht, diesen Download mit dem ersten Song „Can’t Dance“ startet. Gitarre und Orgel swingen von Bass und Schlagzeug begleitet im besten Siebzigerjahre-Stil entlang einer einfachen Melodie, die den Nostalgiker zum Mitsummen einlädt und ausreichend Schwung und Drive hat, um direkt in die Beine zu fahren. Die Melodieinstrumenten Gitarre und Orgel spannen einen hellen, kristallinen Sound auf, der nicht zuletzt der im Bass recht gezügelten Registrierung der Orgel geschuldet ist, die sich ganz Siebzigerjahre dem von Natur aus hellen Gitarrensound optimal anpasst. Die Viermannband tönt wie aus einem Stück gemacht und die Gitarre umrundet das Geschehen mit blendend sauberer Fingertechnik wieselflink das klangliche Geschehen und hält es wie in Herdenhund seine Herde jederzeit zusammen. Mit stark gebremstem Schaum stürzen sich die vier Musiker in den nächsten, vom Bassisten eröffneten Song „Combo Theme“, in dem der Organist sich zum Pianisten wandelt, der diesen Song im Stil eines Country-Rock und Jazz-Blues aufbaut und neben dem in seinem Solo recht frei gestaltenden Bassisten dafür sorgt, dass er entschieden näher am Heute tönt als der erste Song.
Den Ausflug in die Siebzigerjahre verdanken wir keinem geringeren als dem Gitarristen John Scofield, der damals in seinen Zwanzigern gerade dabei war nach Abschluss seines Jazzstudiums am Berklee College of Music in seine Karriere ernsthaft zu starten, was ihm denn auch kurzfristig gelang als er in einem Konzert mit Gerry Mulligan und Chet Baker in die Carnegie Hall für den eigentlich vorgesehenen Gitarristen einsprang. vermittelte. Der Durchbruch gelang als Mitglied der Billy Cobham/George Duke-Band. In der Folge spielte er mit zahlreichen namhaften Jazzmusikern wie Charles Mingus, Herbie Hancock, Chick Corea, Joe Henderson, Pat Metheny, McCoy Tyner, Bennie Wallace und Jim Hall. Seit Ende der 1970er Jahre tourte er im Trio mit Steve Swallow und Adam Nussbaum. Ein Highlight seiner Karriere war die Zusammenarbeit mit Miles Davis unter dem Stern des Funk Jazz, dem er sich über die kommenden Jahre zusammen mit dem Saxophonisten Joe Lovano ausgiebig widmete. Für viele gilt Scofield neben Bill Frisell und Pat Metheny zu den bedeutendsten Jazzgitarristen seit Wes Montgomery.
Auf dem neuen Album Combo 66 findet man den mehrfachen Grammy-Gewinner Steve Swallow im Umfeld seines neu zusammengestellten Quartetts mit Bill Stewart, Schlagzeug, Gerald Clayton, Piano und Orgel und Vicente Archer am Kontrabass. Nach den beiden Einstiegssongs stürzen sich die Vier mit „Icons at the Fair” mit vollem Einsatz und hoher Spielfreude in ein auf Herbie Hancock zurückgehende Arrangement von Simon and Garfunkels “Scarborough Fair”. Zumindest peripher an Country und Blues erinnert das Quartett in „Willa Jean”, „Uncle Southern” und „Dang Swing”. Rockmäßig zu Sache geht es in „New Waltzo”, bevor die Vehemenz des Rock in „I’m Sleepin’“ und in ruhigere Gefilde überführt wird, um in „ Ringing Out” endgültig an Fahrt einzubüßen bevor es mit „King of Belgium” ins Finale, mit dessen humorvoller Stimmung die vier Mannen der Combo 66 an Toots Thielemans erinnern, der in Jazzkreisen nicht nur für sein großartiges Mundharmonika-Spiel bekannt, sondern auch für seinen ausgeprägten Humor bekannt war.
Selten wird man noch einmal ein stilistisch so weit gespanntes, farblich variables Quartettspiel erleben wie auf Combo 66, das seine ganze Klangpracht über die Wiedergabe als hochaufgelöster Download entfaltet.
John Scofield, Gitarre
Gerald Clayton, Klavier
Vicente Archer, Bass
Bill Stewart, Schlagzeug