Der aus Straßburg stammende Cellist Marc Coppey hat sich mit dem ungarischen Geiger Barnabás Kelemen und dem israelischen Pianisten Matan Morat für dieses Kodály-Album zusammengeschlossen, das von audite produziert und im Herbst 2020 in der KulturKirche Nikodemus in Berlin aufgenommen worden ist, deren Akustik für Kammermusik wie geschaffen ist und auch für öffentliche Konzerte genutzt wird. Der 1882 geborene Zoltán Kodály lernte seinen Landsmann Béla Bartók während seiner Studienzeit kennen und beide verband die Idee, die die ungarische Musik an ihren Wurzeln anhand des Repertoires der ländlichen Bevölkerung in den damaligen ungarischen Regionen der Donaumonarchie zu untersuchen. Wie im Booklet dieses Albums im Einzelnen nachzulesen, nahmen beide Komponisten Lieder und Tänze der bäuerlichen Gesellschaften mit einem Wachszylinderphonographen auf, um eine umfassende Edition der ungarischen Volksmusik zu erstellen. Kodály sah in der Volksmusik mit ihren von der "Kunstmusik" abweichenden Tonsystemen und Rhythmen die Chance, seiner eigenen Musik eine unverwechselbare, "nationale" Handschrift zu geben.
Die Cellosonate op. 4 ist Kodály ein erstaunlich reifes Werk in einem höchst energiegeladenen Stil gelungen, das mit innovativen Farbeffekten und dem Einfluss fernöstlicher Musik an den Stil von Claude Debussy erinnert. Entsprechend erfolgreich war die Cellosonate denn auch im Paris des Jahres 1910, wo es im Rahmen des "Festival Hongrois" zur Uraufführung gelangte. Im ersten Satz, einer "Fantasia", ist der programmatisch neue Stil des ungarischen Komponisten in Noten gesetzt, der als typisches Merkmal der ungarischen Volksmusik überlagerte Quarten als typisches Merkmal der ungarischen Volksmusik einsetzt. In einem flexiblen Dialog spielen sich Cello und Klavier gegenseitig immer wieder neue Ausdruckssphären zu anstatt in klassischer Weise Themen zu entwickeln. Im zweiten und letzten Satz spiegeln sich ungarische Tänze, die Kodály und Bartók auf ihren Forschungsreisen dutzendweise aufgenommen oder notiert hatten.
Im Duo op. 7 greift Kodály erneut auf die Tonalität der ungarischen Volksmusik zurück, ohne jedoch die herkömmliche Sonatenform komplett außen vor zu lassen. Der für die Binnensätze gewählte tragische Tonfall scheint zu Beginn des letzten Satzes kurz auf, wird dann jedoch durch einen kernigen Humor ersetzt, den beide Streichinstrumente in einem fröhlichen Wettstreit zum Ausdruck bringen. Die nach dem ersten Weltkrieg entstandene Solosonate op. 8 spiegelt Kodálys Gemütsverfassung während des Krieges. Die große Geste des Beginns, gefolgt vom Hauptmotiv mit Doppelgriffen und Trillern, die in schwindelerregende Höhen führen werden die Gestaltungskraft und Virtuosität des Interpreten ebenso herausgefordert wie im letzten Satz mit ekstatisch treibendem Tanzrhythmus. Unzufrieden mit dem ersten Satz seiner späteren Cellosonate ließ Kodály, dieses Werk unvollendet und ließ ihn als einsätzige Sonatine für Cello und Klavier für sich stehen. Durch und durch ungarisch weist sie Anklänge an die zeitgenössische französische Musik auf.
Der Cellist Marc Coppey, der zuletzt für seine Aufnahme der Cellokonzerte von Dmitri Schostakowitsch für das Label audite international gefeiert wurde, spielt in der Solosonate herausfordernd direkt, mit den Zuhörer anspringender Intensität auf und lässt die Sonatine in all ihrer Schönheit aufblühen. Matan Porat am Klavier und Barnabás Kelemen mit seiner Violine, beide Meister ihres Fachs, erweitern die die Klangwelt des formidablen Cellospiel Marc Coppeys ganz im Sinne des ungarischen Komponisten in Sachen Farbigkeit und Rhythmus, die so einzigartig geprägt sind durch die Wurzeln der ungarischen Volksmusik.
Marc Coppey, Cello
Matan Porat, Klavier
Barnabás Kelemen, Violine