Matthias Goerne besitzt eine enorme Bühnenpräsenz, die selbst eine gut gemachte Konserve wie der hochaufgelöste Download der „Bach Cantatas for Bass“ nicht zu transportieren vermag. Man kann das bedauern. Man kann das aber auch als einzigartigen Bonus eines Live-Events begrüßen. Hier wie dort erlebt man akustisch einen der intelligentesten Sänger unserer Zeit, der mit seinem Lehrer Dietrich Fischer-Dieskau eine enorme Repertoire-Vielfalt von der Oper über das Oratorium bis zum Liedgesang erfolgreich pflegt und stetig vergrößert. Matthias Goerne geht weniger deklamatorisch zur Sache als Fischer-Dieskau. Er erweist sich in Sachen Bach Kantaten bei aller deklamatorischen Zurückhaltung als vergleichbar kompetenter, mitreißender Erzähler, der seinem Lehrer die tiefer ausgelebte Emotion voraushat, und der seine im Bass angesiedelte, gleichermaßen kultivierte Singstimme lyrisch zum Leuchten bringt.
Vor zwanzig Jahren konnte der recht junge Matthias Goerne, damals noch auf dem Medium CD mit Roger Norrington als Orchesterchef, bereits nachdrücklich demonstrieren, was für ein begnadeter Bach-Kantaten-Interpret er ist. Diese ältere Aufnahme dokumentiert eine jugendlich frische Stimme und eine individuelle Sicht auf die Kantaten, die mit ihrer großen Bestimmtheit und Überzeugungskraft für sich einnimmt. Die neue Aufnahme dokumentiert nicht weniger nachdrücklich als die ältere Aufnahme höchste sängerische Kompetenz, wobei Matthias Goernes zwischenzeitlich enorm an Gestaltungskraft und der Fähigkeit dazugewonnen hat, durch seine Interpretation zutiefst menschliche Emotion glaubhaft zu vermitteln.
Und um genau die geht bei den beiden Bach-Kantaten BWV 56 und BWV 82 dieses Albums, die darauf abzielen, der Verzweiflung Hoffnung sowie Leiden und Tot Erlösung gegenüberzustellen. Es bedarf schon des Großmeisters Bach, um diese existenziellen Themen in Töne zu übersetzen, und es bedarf eines Sängers wie Matthias Goerne, diese zutiefst menschlichen Regungen und Lebensziele dem zuhörenden Publikum glaubhaft zu vermitteln, ohne in eine opernhaft übertriebene Präsentation abzugleiten. Und es bedarf nicht zuletzt einer hochkarätigen Begleitung, um die Intentionen des Sängers im besten Sinne unterstützend zu vermitteln, wie die das wieder einmal fantastisch aufspielende Freiburger Barockorchester unter Gottfried von der Goltz.
Nicht zuletzt ist von der obligaten Oboe Katharina Arfkes zu berichten, die den Vortrag des Sängers kongenial begleitet und die alleine bereits die Anschaffung dieses Albums rechtfertigt, gibt man ihr dich Raum für einen solistischen Auftritt in Bachs Konzert für Oboe d’Amore BWV1055 zwischen den beiden Kantaten. Dieses ursprünglich für Cembalo und Orchester geschaffene Werk ordnet sich als Kantate ohne Worte dem Motto des Albums bestens unter und die Oboistin erweist sich als solistischer Glücksfall erster Ordnung.
Zur Vorbereitung auf die erste Kantate enthält das Album die kraftvolle und ausdrucksstarke Sinfonia aus der Kantate BWV 21, die von den Freiburgern mitreißend dargeboten wird.
Dieses Album darf man sich als eingefleischter Anhänger der Werke Bachs keinesfalls entgehen lassen, ist es doch derart gut gelungen, dass es bestens geeignet ist, den Hörer zu begeistern, der mit Bach-Kantaten an sich nichts am Hut hat.
Matthias Goerne, Bariton
Katharina Arfken, Oboe, Oboe d'amore
Freiburger Barockorchester
Gottfried von der Goltz, Violine, Dirigent