Was unter anderen den Beatles seinerzeit die indische Langhalslaute Sitar war, ist dem Jazz heutzutage die afrikanische Laute, die Oud. Als einer ihrer Meister gilt der Tunesier Anouar Brahem, der auf dem Label ECM mit so renommierten Musikern, wie dem Saxophonisten Jan Garbarek, dem Bassisten Palle Danielsson und dem Akkordeonisten Richard Galliano erfolgreich etliche Alben aufgenommen hat. Auf eben diesem Label ist unlängst im Zusammenspiel mit dem Bassisten Dave Holland, dem Schlagzeuger Jack DeJonette und last but not least dem Pianisten Django Bates das im Avatar Studio, New York im Mai dieses Jahres aufgenommene Album Blue Maqams erschienen. Ohne den übrigen Musikern auf diesem Album, die sämtliche erstklassige Arbeit abliefern, Unrecht tun zu wollen, hat sich vor allem die Einbeziehung von Django Bates als ausgesprochen glücklicher Griff erwiesen, verschmelzen doch Oud und Piano im Unisono geführt zu einer Art Super-Oud, während die beiden Instrumente sich getrennt improvisierend herrlich aneinander reiben.
Und das gibt es auf Blue Maqams zu hören.
Opening Day: Nach einer von Oud und Bass alleine angestimmten, sanft fließenden, kontemplativen Einleitung werden die Konturen der improvisierten, nordafrikanisch tönenden Melodie bei hinzutretendem Schlagzeug schärfer, bis das Piano sich mit eigener Improvisationslinie zunehmend prominenter werdend einmischt, die Melodienimprovisation im Unisono-Gesang mit der Oud weiterspinnt, bevor sie auseinanderläuft, um das Ende des Titels im Unisono verklingen zu lassen. Das Ganze atmet südliche Mittelmeerluft und duftet nach mediterraner Strauchheide, nach Garrigue. La nuit: Melodielos einsetzend verströmt das Piano nächtliche Stimmung, in die die Oud zaghaft vom Tage verbliebende Reste einer Melodie einflicht, die vom Piano aufgegriffen und im Zwie- und Wechselgesang mit der Oud vervollständigt und mit aus dem Nichts auftauchenden Impuls variiert und verebben gelassen werden. Auf halber Strecke des zehn Minuten dauernden Titels motiviert das jetzt erst einsetzende Schlagzeug das vom Bass begleitete Piano, dem neuen Tag entgegenstrebend, deutlich an Fahrt aufzunehmen. Blue Maqams: Dies ist der nur zu Anfang und zum Ende hin vom Piano, Schlagzeug und Bass kommentierte zentrale Soloauftritt für die Oud. Die folgt dem klassischen Aufbau eines Maqam, der für westliche Ohren aufgrund der heptatonischen Tonleiter typisch arabisch klingt, und der mit seinem charakteristischen Bewegungsablauf aus Melodien und Zäsuren und seinen kunstvollen Improvisationen einen wahren Meister, wie Anouar Brahem voraussetzt. Bahia: Schon John Coltrane hat diesen brasilianischen Tanz auf dem gleichnamigen Album für den Jazz entdeckt. Im Verbund mit Dave Holland und Jack DeJonette, bravourös angeführt von Anouar Brahem entwickelt der Bahia seine tänzerische Urkraft deutlich näher am brasilianischen Original denn am Jazz in Reinkultur. Persepolis Mirage: Nicht nur, aber vor allem hier wird deutlich, dass das von Dave Holland souverän bereitgestellte Bassfundament samt seines sich in genialen Riffs niederschlagenden Kommentars zu den Improvisationen seiner Mitmusiker essentiell für das Gelingen dieses Albums ist. Ein Höhepunkt pianistischer Raffinesse findet sich auf The Recovered Road To Al-Sham. Unexpected Outcome: Es ist nichts weniger als eine große Freude, zu erleben, wie Jack DeJonette hier das Becken meisterhaft einsetzt, um wie bereits in La nuit glaubhaft die exakt zur Melodie des Titels und seine Improvisationen passende Stimmung zu erzeugen.
Wieder einmal ist es ECMs Manfred Eichner als Produzent dieses Albums gelungen, den Sound, dieses Mal von den Mannen des Avatar Studios, allen voran James A. Farber optimal einfangen zulassen.
Anouar Brahem, Oud
Django Bates, Klavier
Dave Holland, Kontrabass
Jack DeJohnette, Schlagzeug