Ensemble Modern Orchestra, Anna Prohaska & Sir George Benjamin – George Benjamin (Live)

Review Ensemble Modern Orchestra, Anna Prohaska & Sir George Benjamin – George Benjamin (Live)

Als Frank Zappa sein Album The Yellow Shark komponierte, war er der Überzeugung, dass die Musik zu schwierig sei, um sie von Menschen spielen zu lassen. Dann traf er auf das Ensemble Modern aus Frankfurt am Main und wurde eines besseren belehrt. Jetzt hat das so fähige Ensemble zum Orchester erweitert und Werke des britischen Komponisten Sir George unter dessen Leitung Benjamin eingespielt.

Benjamin ist Schüler Messiaens und begann in de frühen 1980-er Jahren zu komponieren. Mit dem Ensemble Modern, dem seit mehr als drei Jahrzehnten verbunden ist, hat er auf dem jetzt erschienenen Album George Benjamin (Live) einen Querschnitt seines musikalischen Schaffens auf gut 51 Minuten komprimiert.

Benjamins Werke haben in der Regel einen Bezug zu Aspekte und Objekten in der Realität, die er klanglich zu fassen und nachzugestalten versucht. Die eröffnen beiden Stücke Palimpsest I und Palimpsest II versuchen dieses mit den Überlagerungen, die sich in mittelalterlichen Schriften finden, bei denen der neue Text auf dem Pergament über den abgeschabtem alten Schriftzeichen steht, die mitunter leicht durchschimmern.

Die drei Sätze von At First Light beziehen sich auf das Gemälde Norham Castle, Sunrise von William Turner. Auch hier das Abbild von Eindruck in Klang, wobei die Vorlage ein Gemälde ist und die Resonanz darauf mit rund 140 Jahren Abstand geschieht. Interessant ist hierbei besonders der unterschiedliche Ausdruck, der bei Benjamin weit intensiver als bei Turner Dissonanz mit Dynamik verschmilzt.

Für Musikkenner noch interessanter dürften allerdings die abschließenden beiden Stücke Canon and Fuge: I. Canon in Hypodiapason (Live) und Canon and Fuge: II. Contrapunctus 7 (Live) sein. Bnjamin hat die Kompositionen von Johann Sebastian Bach bearbeitet und dabei einen Fokus auf Hörner gelegt. Die Arrangement für neun Musiker entsprichen übrigens der Instrumentierung von Pierre Boulez‘ Mémoriale mit einer Flöte, zwei Hörnern und sechs Streichern. Die Musik wird dabei sehr weich, das auch an den teils gezupften Geigen und den Dämpfern der Hörner liegt, die einen Hauch von Eisler und Jazz in den Hintergrund mogeln.

Akustisch ist die Aufnahme exzellent. Das kleine Ensemble wie auch die Orchester-Aufstellung sind vollkommen transparent, wohlsortiert und -temperiert. Positiv fällt auf, dass die an Diskant reichen Passagen zwar hell, aber nicht schrill aus den Lautsprechern kommen und das Gesamtgefüge bei allem Schwung sehr feinverwoben wirkt.

Dass die Live-Aufnahmen an verschiedenen Orten eingespielt wurden – Benjamin und das Ensemble Modern Orchstra gaben im September 2023 insgesamt fünf Konzerte mit insgesamt drei unterschiedlichen Programmen, je eines in Berlin, London, Köln, Frankfurt und Amsterdam – ist in den Einspielungen nicht auszumachen. Diese Homogenität der Einspielung ist in Summe ein weiteres großes Plus.

Bei so viel Güte wundert es nicht, dass Benjamin und das Ensemble Modern eine langjährige Verbundenheit eint; das Album spiegelt es wider. (Thomas Semmler, HighResMac)

Anna Prohaska, Sopran
Ensemble Modern Orchestra
Sir George Benjamin, Dirigent


Foto: ©Chris Christodoulou

Ensemble Modern Orchestra, Anna Prohaska & Sir George Benjamin – George Benjamin (Live)

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