Ida Lupino war eine zu Ihrer Zeit bekannte, 1995 im Alter von 78 Jahren verstorbene Hollywood-Schauspielerin. Der Albumtitel spielt jedoch nur mittelbar auf die Schauspielerin, direkt jedoch auf die gleichnamige Komposition von Carla Bley aus dem Jahr 1964 zu Ehren der Schauspielerin an. Im Laufe der Jahre wurde Ida Lupino zu einer Art Jazz-Klassiker, der einige Coverversionen gesehen hat, von denen sich die neueste auf dem Album Ida Lupino als stark abgewandelte Version des Originals in ziemlich ungewöhnlicher Besetzung findet. Ungewöhnlicher Weise übernimmt die Posaune – fabelhaft zum Tönen gebracht von Gianluca Petrella, einem Mitglied des Enrico Rava Quintetts – die Rolle des Kontrabasses in der klassischen Besetzung des Jazz-Quartetts im starken Kontrast zu einer Klarinette bzw. Baßklarinette, geblasen von Louis Sclavis anstelle des weit verbreitet eingesetzten Saxofons. Vervollständigt wird das Quartett, seiner klassischen Besetzung folgend durch einen Klavierspieler, den Amerikaner Giovanni Guidi, ebenfalls ein Enrico Rava Mann, und einen Schlagzeuger, den Franzosen Gerald Cleaver. Die Kombination Tuba/Klarinette im Rahmen des Quartetts sorgt zusammen mit dem zum Teil raffinierten Arrangement und der zum anderen Teil freien Improvisation für eine schier exotische, in jedem Fall klangfarbenreiche Stimmung mit überraschenden Wendungen, die den Hörer über das gesamte Album hinweg unter Spannung hält.
Dem Thema entsprechend ist die Stimmung in What We Talk About When We Talk About Love ziemlich ruhig, ja durchaus gemächlich, mit einem von spärlich gesetzten Klavierakkorden und pulsierendem Bongo aufgespannten rhythmischen Grundrauschen, über dem die Tuba erzählt, worüber wir reden, wenn wir über Liebe reden. Ein hörenswerter Einstieg ins Album. Rhythmisch bewegter – zuständig sind hier gleichberechtigt Schlagzeug und Klavier – geht es bei Just Tell Me Who It Was zu, wenn die Klarinette und die Tuba im Zwiegespräch versuchen, zu erkunden versuchen, wer es war, der über Liebe geredet hat. Offenbar ein mysteriöses Ziel vor Augen versuchen bei Jeronimo sämtliche Instrumente des Quartetts atemlos, dieses Ziel zu ereilen. Ob das gelingt, bleibt offen. Nach zögerlichem Beginn ohne Melodieinstrument stimmt die Baßklarinette den eingängigen Song Ida Lupino an und findet bald Unterstützung durch Klavier und Tuba, die den Song im Nachgang ganz kurz variiert, bevor er ruhig verklingt. Mit einer ruhig dahinfließenden Coverversion von Per i morti di Reggio Emilia zollt Quartett dem Turiner Liedermacher Fausto Amodei Tribut, der diesen Protestsong 1960 nach der Niederschlagung von Demonstrationen gegen die Regionalregierung mit zahlreichen Toten und Verletzten schrieb.
Gato! Der längste Titel des Albums ist der Gattung Felidae, der Katze gewidmet. Die Tuba gibt die Katze. Wer mit so einem ein Tier gesegnet ist erkennt, dass hier Kenner der speziellen Eigenschaften des krallenbewehrten Fellträgers – vom sanften Anwandeln bis zur fauchenden Ablehnung unerwünschter Zuneigung – zugange sind. Entschieden argloser erfährt die Erde in La Terra ihre Würdigung. No More Calypso? Ist, wie könnte es anders sein, ein Abgesang auf den Kalypso. Rouge Lust gibt dem Quartett Gelegenheit zur vierfachen Solopräsentation, während Things We Never Planned Klavier, Schlagzeug und Posaune vorbehalten ist. Spätestens jetzt hat man sich in die Welt des Albums Ida Lupino voll eingehört und weiß den von Tuba und Klarinette bestimmten kontrabaßlosen Sound zu genießen. Gut, dass da noch vier weitere Titel kommen, in denen man sich dem entspannten, farbstarken Spiel des Quartetts hingeben kann.
Wie von einer ECM-Produktion nicht anders zu erwarten, glänzt Ida Lupino mit feinstem detailreichem Sound, der sämtliche Instrumente voll zu ihrem Recht kommen lässt und der das Quartett in der glaubhaft aufgespannten Akustik aufspielen lässt. Klasse Download, musikalisch ebenso wie aufnahmetechnisch.
Giovanni Guidi, Klavier
Gianluca Petrella, Posaune
Louis Sclavis, Klarinette, Bass Klarinette
Gerald Cleaver, Schlagzeug