Wenn Gitarristen Solo-Alben veröffentlichen, ziehen sie gerne alle Register ihres Könnens, bevorzugt vollständig und in jedem Stück. Das führt direkt zu einem Information-Overkill auf Kosten dessen, was nominell geboten wird: Musik. Dass es auch anders geht, zeigt Jeff Kollman mit seinem jüngsten Album 2023 A.D., das er vor einigen Tagen veröffentlichte.
Ein schönes Beispiel für schönes Spiel ist Cosmic Dust, das wie die meisten Titel des Albums in klassischer Song-Struktur auftritt. Es schließt einen Schwung Jazz-Elemente ein und lässt Raum für jeden der anderen beteiligten Musiker, schafft also ausgewogenen Gesamtklng. Ein anderes Beispiel wäre Lullaby for my Love, ein Blues, der sich freundlich durch die Akkorde soliert, ohne auch nur für einen Moment aufdringlich zu werden, weil im Diskant zu jubilieren ja so verlockend selbstreferenziell wäre. Oder Two Years Ago Today, das über Percussion-Rhythmen gelegt von einer akustischen Gitarre getragen wird, statt die Zuhörer konstant unter Strom zu halten.
Damit soll nicht gesagt sein, dass Kollman an Virtuosität spart. Im Gegenteil. Es ist fix, vielschichtig, melodisch, dissonant, perkussiv, in Summe also musikalisch. Die Bandbreite seines Könnens ist umfassend und er zeigt es auch. Nur dass er dabei sensible und umsichtig vorgeht, was eine gelungene Balance zwischen Gitarrensolo- und Rockalbum schafft.
Vielleicht ist diese Zurückhaltung auch ein Grund für die illustre Begleitmannschaft, die Kollman für 2023 A.D. gewonnen hat. Mit von der Partie sind beispielsweise die Drummer Chad Smith (Red Hot Chili Peppers) und Shane Gaalaas (Yngwie Malmsteen) sowie der Bassist Jimmy Johnson (Allan Holdsworth).
Auf der formal-akustischen Seite ist das Album ebenfalls gelungen. Es ist sehr transparent und wohl ausbalanciert. Die Instrumente finden ihren Platz auf der gut strukturierten Bühne und die Frequenzen sorgen für Druck von unten, Licht von oben und eine stabile Grundstruktur in den Mitten.
Jeff Kollmans 2023 A.D. ist ein abwechslungsreiches und fein ausbalanciertes Rock-Album, das auch ein bisschen Jazz, Blues und Prog bietet. Es ist vielfältig, vielschichtig und gewiss eines der empfehlenswerten Gitarren-Alben, die der Markt zu bieten hat. (Thomas Semmler, HighResMac)
Jeff Kollman, Gitarren
Guy Erez, Bass
Shane Gaalaas, Schlagzeug
Ed Roth, Organ
Ric Fierabracci, Bass
Chad Smith, Schlagzeug