Ein deutscher Cellist und ein russischer Pianist haben sich exklusiv für dieses Album zusammengefunden, um Werke russischer Komponisten einzuspielen, die während des Umbruchs des neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert bis in die dreißiger Jahre hinein entstanden sind. Beide zählen mit 37 und 30 Jahren zur jüngeren Musikergeneration, und beide können jeder für sich eine beeindruckende internationale Karriere vorweisen. Der Violoncellist Johannes Moser, der für sein Instrument eine Professur an der Hochschule für Musik und Tanz Köln innehat, entstammt einer Musikerfamilie, zu deren bekannten Mitgliedern unter anderen seine Mutter, die Sopranistin Edith Wiens und seine Tante, die Sopranistin Edda Moser gehören. Der acht Jahre jüngere Andrei Korobeinikov hat sich seit seinem fünften Lebensjahr dem Klavierspiel verschrieben und gerade einmal drei Jahre später damit begonnen, einen Wettbewerbspreis nach dem anderen einzuheimsen. Irgendwie muss er den wunderkindergleichen kometenhaften Aufstieg gemeistert haben, ohne wie so mancher seiner Mitbewerber an ihm zu zerbrechen. Jedenfalls mischt er heutzutage ebenso wie sein cellospielender Duopartner auf diesem Album in der internationalen Konzertszene als Solist ebenso mit wie als Kammermusiker.
Rachmaninov und Prokofiev markieren in der russischen Musikszene ihrer Zeit konträr entgegengesetzte Positionen: Während Rachmaninov den romantischen Ansatz des neunzehnten Jahrhunderts ins zwanzigste Jahrhundert importiert und vorsichtig einer moderneren Klanggestaltung unterworfen hatte, ließ der zwanzig Jahre jüngere Prokofiev den romantischen Ansatz bald hinter sich und fand statt dessen rasch zu einer kühlen formalistischen Form des Komponierens, die uns Nachgeborene erfrischend und mitunter wohltuend bizarr anmutet. Beide Komponisten verbindet abgesehen von ihrer russischen Herkunft die virtuose Beherrschung des Klaviers in Nachfolge eines Franz Liszt. Tonträger künden von diesem gemeinsamen Erbe ebenso wie die Behandlung des Klaviers in den auf diesem Album versammelten Kompositionen. Was die beiden Komponisten gleichermaßen verbindet und trennt geht auf den Existenzschmerz zurück, der für den älteren Rachmaninov darauf zurückzuführen ist, dass er zur Zeit des Zarensturzes sein Heimatland verließ und fortan im Ausland lebte, während Prokofiev wie so viele seiner Landsleute unter der politischen Situation zu leiden hatte, die sich daraus ergab, dass er seinem Heimatland treu blieb.
Die so konträren musikalischen Welten Rachmaninovs und Prokofievs spiegeln sich klar und deutlich in der durchgehend überzeugenden Interpretation deren Cello-Klavier-Sonaten durch die beiden Künstler auf diesem Album, die der Sache angemessen überwiegend als gleichberechtigte Partner und nicht als Begleiter und Begleiteter agieren, wie etwa gleich zu Beginn der Sonate Op. 119 Prokofievs, die im Mittelteil – typisch für diesen Komponisten –Existenzschmerz durch Ironie und im Finale durch den Pianisten und den Cellisten großorchestral angestimmt durch romantikferne Ernsthaftigkeit intensiv abarbeitet. Demgegenüber breitet sich der Existenzschmerz in der Sonate Op. 19 von Rachmaninov nach kurzer Einleitung im ersten Satz in elegantem, vielgestaltigem Melodienstrom eingehüllt, ähnlich dem dritten Klavierkonzert aus, um im zweiten Satz in samtene Dunkelheit gehüllt sinister fortgesponnen und nach heftigen Dur- und Mollwechseln im dritten Satz in ein überwältigend aufgetürmtes Finale auszumünden, in dem das Schmerzthema immer wieder blitzartig aufleuchtet.
Dass der Dritte im Bunde der in diesem Album vertretenen Komponisten, Alexander Scriabin, der manchem Musikliebhaber bis heute als russischer Paradiesvogel gilt, auf dem Cover nicht genannt ist, mutet ein wenig merkwürdig an, zumal seine Romanze für Cello und Klavier – der Cellopart wurde ursprünglich für Horn konzipiert – bestens ins romantische Umfeld Rachmaninovs passt und von den beiden Künstlern genauso liebevoll, den speziellen Duft der Scriabinschen Romanze vermittelnd gestaltet wird wie die hier versammelten Kompositionen der Herren Rachmaninov und Prokofiev. Vielleicht war es auch die extrem kurze Spieldauer der Romanze von knappen zwei Minuten, die die Coverentwerfer motiviert hat, Scriabin als dritten Komponisten unter den Tisch fallen zu lassen. Sollte dies der Fall sein, möchte man den Entwerfern ins Stammbuch schreiben, dass der Wert eines Werks sich nicht nach dessen Länge, sondern nach dessen Inhalt bemisst, der im Falle der Scriabinschen Romanze dank der Gestaltungskunst des Duos Moser & Korobeinikov nicht niedriger anzusetzen ist als der Inhalt der dreimal längeren Rachmaninovschen Vocalise.
Abgesehen von dem Fauxpas, Scriabin auf dem Cover nicht zu nennen, entführt uns das dort abgelichtete Birkenwäldchen beziehungsreich in russische Gefilde. Warum allerdings Johannes Moser unbequem auf dem Waldboden kauernd sich auf dem dort mit verwundertem Blick sitzenden Andrei Korobeinikov abstützen muss, passt weder zum Birkenwäldchen noch zur russischen Stimmung des Albuminhalts, eher schon zur aktuellen Tendenz, Cover zwanghaft lässig zu gestalten. Sei‘s drum, haben wir es doch mit einem Album höchster musikalischer Güte zu tun. Dass diese ihre aufnahmetechnische Entsprechung findet, gehört bei Pentatone seit jeher im Wortsinn zum guten Ton.
Johannes Moser, Cello
Andrei Korobeinikov, Klavier