Brahms war gerade dabei, sich aus dem aktiven Komponistenleben zurückzuziehen, als er anlässlich einer Konzerteinladung des Meininger Hofes vom Solospiel des Klarinettisten des Hoforchesters, Richard Mühlfeld derart eingenommen war, dass er sich spontan entschloss, doch noch einmal zur Feder zu greifen und die Welt mit insgesamt vier Werken für Klarinette zu beglücken, die sämtliche Richard Mühlfeld gewidmet sind: dem Trio a-Moll op. 114 , dem Klarinettenquintett h-Moll op. 115 und zwei Sonaten op. 120 für Klarinette und Klavier. Alle vier Werke wurden vom damaligen Publikum begeistert aufgenommen und zählen bis heute zum Schatz der nicht allzu zahlreichen Klassik-Kompositionen für Klarinette. Der englische Klarinettist Michael Collins und sein Landsmann, der Pianist Stephen Hough haben die beiden Sonaten op. 120 eingespielt und auf dem Album Brahms 3 Sonatas bei Hyperion Records veröffentlicht, wobei die dritte Sonate eine von Michael Collins erstellte Bearbeitung der Violinsonate A-Dur op. 100 von Brahms für Klarinette und Klavier sind. Da die Violinschrift von zuhause aus gut zur Klarinette passt, nimmt es nicht Wunder, dass die Bearbeitung nicht nur gelungen ist, sondern dem Klangwunder der beiden "echten" Klarinettensonaten von Brahms recht nahekommt.
Michael Collins und Stephen Hough erfreuen sich nicht nur jeweils einer äußerst erfolgreichen Solistenkarriere. Vielmehr verbindet sie eine langjährige Freundschaft, die im Zusammenspiel und gleichgesinntem Musikverständnis im Fall der Brahms-Sonaten die schönsten Früchte abwirft. Die beiden dem Klarinettenklang entgegenkommend herbstlich getönten Klarinettensonaten op. 120 erfahren keine zusätzlich abgedunkelt weiche Interpretation, die ja naheliegt und nicht selten so realisiert wird. Vielmehr erfährt der typisch Brahms recht dicht gesetzte Klaviersatz unter den Händen von Stephen Hough eine deutliche Aufhellung, die zusammen mit der zwar warmen, aber stets durchsichtigen , betörend schönen Klanggebung der Klarinette eine luzide Frühherbststimmung beschwört, der jegliche Schwere fehlt. In die Sonaten komponierte wehmütige Momente erhalten auf diese Weise im Umfeld träumerischer, ja beinahe fröhlicher Leichtigkeit weniger Gewicht. Diese Leichtigkeit wird von den beiden Musikern fein ausgewogen, so dass keine unbotmäßige Sentimentalität aufkommt. Die relativ flotten Tempi, mit denen die langsamen Sätze angegangen werden, tun Ihr Übriges dazu. Pure Spielfreude äußert sich in der Wiedergabe der Tanzsätze, die vom Klarinettisten und dem Pianisten rustikal schwungvoll in Szene gesetzt werden. Der in den Tanzsätzen aufgenommene Schwung und die Spielfreue setzen sich in die Finalsätze fort, die geradezu überschwänglich in den Satzschluss ausmünden.
Auch die adaptierte Violinsonate lebt vom begeisterten Einsatz, den der Klarinettist und der Pianist den Brahms-Sonaten op. 120 angedeihen lassen. Ein wenig Brahms-fern wirkt lediglich die Übernahme der hohen Violintöne für die Klarinette, die in diesem Registern trotz einwandfreier Realisierung durch Michael Collins naturgemäß nicht ganz so schön klingt.
Für Brahmsfans ebenso wie für alle Anhänger perfekten Klarinettenspiels und nicht zuletzt des genialen Zusammenspiels von Klarinette und Klavier ist dieses Album ein absolutes Muss.
Michael Collins, Klarinette
Stephen Hough, Klavier