Ist der Pianist Sullivan Fortner so etwas wie der Oscar Peterson des einundzwanzigsten Jahrhunderts? Sagen wir es so, er ist mit seinen gerade einmal achtundzwanzig Jahren auf dem besten Weg dahin. Und er ist sicherlich keine Kopie des großen Oscar Peterson. Und das ist auch gut so. Die Gemeinsamkeit der beiden endet bereits an der Spielweise. Fortners Klavierspiel merkt man seine akademische Ausbildung an, die ihn auf Improvisationen schickt, die sich deutlich von denjenigen Oscar Petersons, aber auch von denjenigen der aktuellen pianistischen Konkurrenz abhebt. Das Resultat ist nicht etwa eine verkopfte Spielweise. Vielmehr tönt sie in ihrer zumeist schnellen Abfolge von kurz angerissenen Einfällen, dem Atonalen leicht zugeneigt, überaus modern, ohne jedoch den Hörer durch Hektik zu irritieren. Melodien finden auch statt, wie etwa unter fantastischer Flügelhornbegleitung im Titel Eyes So Beautiful As Yours. Der Mann am Flügelhorn, Roy Hargrove, ist Mitglied des für das Album Moments Preserved zusammengestellten Quartetts des Sullivan Fortner Quartetts, zu dem außerdem der Kontrabassist Ameen Saalem und der Schlagzeuger Jeremy ’Bean‘ Clemons gehören, der die Spielweise des Pianisten in faszinierender Weise in die Welt seines Schlagwerks übersetzt. Am ehesten an Oscar Peterson erinnert Just in Time. Auch hier zeigt der Schlagzeuger durch eine starkes Solo, in welch hoher Klasse sein Beitrag zum Quartett einzuordnen ist. Im nachfolgenden New Port vernimmt man erstaunt, welche Antriebskraft das Schlagzeug auf die beine stellen kann. Auch in Sachen Einfallsreichtum des Pianisten lässt dieser Titel keine Wünsche offen. Eine Reminiszenz an die klassische Musik findet sich in Fantasy. Dort lässt Sergej Rachmaninow grüßen. So etwas kann schnell peinlich werden. Nicht jedoch bei Sullivan Fortner, der über genau den guten Geschmack verfügt, der ihn in die Lage versetzt, den Ausflug ins klassische Fach überaus leichtfüßig zu bewältigen. Der Monk Medley gemeinsam mit dem Flügelhorn erweist sich als Perle des Albums.
Sullivan Fortner hat sich durch Live-Auftritte auch in Europa bereits einen Namen gemacht. Mit unglaublichen vier Jahren machte er sich bereits auf den Weg zum Pianisten. Besiegelt hat er den Entschluss, Pianist zu werden später durch ein abgeschlossenes Studium am Oberlin Conservatory of Music und an der Manhattan School of Music zu absolvieren. Seine Jazzlaufbahn begann Fortner nach seinem Studium in der Band von Stefon Harris. Als weitere Wegmarken in Richtung auf seine erstes Soloalbum Aria, das 2015 erschien, sind zu nennen seine Mitwirkung im Quintett von Roy Hargrove und seine gemeinsamen Projekte mit Nicholas Payton, Billy Hart, Gary Bartz, Marcus Belgrave, Peter Bernstein und Dave Liebman. 2015 gewann er die Cole Porter Fellowship in Jazz der American Pianists Association.
Zurück zu Moments Preserved: Das Album ist durch den Stimmungswechsel von Titel zu Titel und das hochklassige, fantasievolle Musizieren aller Beteiligten derart kurzweilig, das man verwundert zur Kenntnis nimmt, dass die Reise durch das Sullivan Fortner Universum bereits ihr Ziel, den letzten Titel erreicht hat. Um besser nachvollziehen zu können, welcher Reichtum an Einfällen da gerade an einem vorbeigezogen ist, hilft nur, den Download erneut von vorne zu starten. Ach ja: die Aufnahmequalität ist dem musikalischen Inhalt angemessen. Moments Preserved ist ein Album, dass man unbedingt haben muss.
Sullivan Fortner, Klavier
Ameen Saleem, Bass
Jeremy “Bean” Clemons, Schlagzeug