Bringen wir es doch gleich hinter uns, das Thema „Brönner-Bashing“: Es ist in der deutschen Presselandschaft Usus geworden, den erfolgsverwöhnten Jazztrompeter Till Brönner im Rahmen von Kritiken seiner Konzerte und Rezensionen seiner Alben ob angeblich gefälliger Spielweise abzuwerten. Sollte er dann auch noch die Trompete absetzen und seiner Stimme Klangraum verschaffen, löst das in diesen Kreisen gar einvernehmlich Stöhnen aus. Zu Recht? Wohl kaum. Leute hört auf, Vorurteile nachzuplappern und akzeptiert, dass Jazz nicht nur schräg und abenteuerlich sein muss, sondern dass seine Herausforderung auch darin bestehen kann, Songs aller Arten instrumentell makellos intoniert zu präsentieren. Und wenn dann ein Meister seines Fachs, wie Till Brönner die Trompete hin und wieder absetzt, um den sauber produzierten Wohlklang durch den Sound seiner Stimme zu kontrastieren, die er kürzlich in einem Interview selbst als qualitativ nur ausreichend bezeichent hat, so tut er das wohl kaum, um seine Anhänger zu ärgern und seinen Kritikern Munition für einen simultanes Aufstöhnen zu liefern, sondern wohl eher als eine Art Korrektiv für den schlackenlosen Trompetensound.
Acht von dreizehn Titeln leiht Till Brönner – frei nach dem Motto „jetzt erst recht“ – auf seinem neue Album The Good Live seine Stimme – nicht ausschließlich, sondern alternativ zum Auftritt per Trompete im Umkreis gestandener, bewährter Mitstreiter, John Clayton (Bass), Jeff Hamillton (Drums), Larry Goldings (Piano) und Anthony Willson (Gitarre). Und das macht er in den hier versammelten Songs des American Songbook im Rahmen seiner hell timbrierten stimmlichen Mittel recht gut. Nicht so gut wie mit der Trompete, aber dem Anlass entsprechend, als Kontrast zu seiner Trompetenstimme beachtenswert. Ob er anlässlich der Einladung ins Weiße Haus als einziger Deutscher zusammen mit 44 US-Jazzlegenden im Frühjahr diesen Jahres den Jazzfan Barack Obama auch durch seine Stimme oder ausschließlich mit seinem Trompetenspiel für sich eingenommen hat, ist nicht bekannt. Höchstpräsidentiell zu den Jazzlegenden gezählt zu werden muss für Till Brönner auch angesichts des Bashings in der Heimat jedenfalls ein Durchmarsch gewesen sein.
Es ist eine wahre Freude, in der von Till Brönner und seinen vier Bandmitgliedern in die Tat umgesetzten, dem abgerundeten Schönklang verpflichteten Ästhetik zuhörend zu baden, die auf höchster Präzision und disziplinierter Umsetzung gründet. Dieses Klangideal liegt emotionell betrachtet auf der eleganten, kühlen Seite, was der Virtuosität geschuldet ist, die Voraussetzung für die gebotene Präzision ist. Mit Gefälligkeit hat das jedoch nichts zu tun, und mit Glattheit höchstens insoweit als Kanten abgerundet und und Untiefen bis auf ein ungefährliches Niveau aufgefüllt sind. Schönklang in diesem Sinne bedeutet nicht, dass man auf Kraft und Schwung verzichten muss, wenn diese in den beschwingteren Songs angesagt sind, wie im Falle von Come Dance with me und I may be Wrong mit sanft, jedoch bestimmt vorwärts drängender Rhytmusgruppe. Dass das man sich insgesamt stimmungsmäßig vorkommt wie in die sechzige Jahre zurückgebeamt ist dem Ursprung der Songs angemessen und angesichts der aktuellen Freude an Retro alles andere als verkehrt.
Die vorzügliche Aufnahmetechnik gewährleistet stets einen unverstellten, glasklaren Blick auf das klangliche Geschehen um die Songs auf dem Album The Good Life, zentriert um die famos tönende, virtuos zum Klingen gebrachte Trompete nebst dazu kontrastierender Stimme Till Brönners im Umfeld seiner wie auf sanften Katzenpfoten daherkommenden, stets höchstprofessionell und einfühlend agierenden Mitstreiter der Till Brönner Band.
Till Brönner, Trompete, Flügelhorn, Gesang
Larry Goldings, Klavier
Anthony Wilson, Gitarre
John Clayton, Bass
Jeff Hamilton, Schlagzeug