Vadim Guzman, der israelische Geiger, der in der Ukraine geboren wurde und der seine ersten Jahre mit der Geige – der junge Vadim griff bereits im zarten Alter von sieben Jahren zur Königin unter den Streichinstrument – unter anderem in der Geigenklasse von Zakhar Bron zubrachte, erspielte sich über die Jahre einen exorbitanten Ruf als Interpret allererster Sahne. Aus den heutzutage immer zahlreicher werdenden Geiger der Klassikszene sticht er hervor als zutiefst ernsthafter Musiker, dem eine enorme Technik zu Gebote steht, die er nicht als Selbstzweck präsentiert, sondern als Grundlage seines musikalischen Ausdrucksvermögens versteht. Vadim Gluzman hat das große Glück, auf einer Stradivari-Geige von 1690 spielen zu können, genauer auf der nach ihrem früheren Besitzer, dem ungarischen Geiger Leopold Auer benannten "Ex-Leopold Auer". Dieses Prachtstück ist eine Dauerleihgabe der Stradivari Society of Chicago.
Auf seinem neuesten, Beethoven und Schnittke gewidmeten Album musiziert er zusammen mit dem Luzerner Sinfonieorchester unter James Gaffigan, der das älteste Orchester der Schweiz, das lange Zeit allenfalls lokal und im Rahmen der jährlich stattfindenden Luzerner Festwochen eine gewisse Rolle gespielt hatte, mit überaus geglückten Aufnahmen über die 10 Jahre seiner Chefdirigenten-Tätigkeit nachdrücklich in das Bewusstsein der internationalen Orchesterszene gebracht hat. Für Vadim Gluzman gilt der Amerikaner Gaffigan nach zahlreichen gemeinsamen Konzerten als einer seiner Lieblingsdirigenten und mit dem Luzerner Orchester verbindet ihn so etwas wie eine Liebesbeziehung. Tatsächlich erweist sich das gemeinsame Musizieren auf diesem Album als ein spezieller Glücksfall.
Im Beethovenkonzert kontrastiert Gluzmans voller Geigenton russischer Schule mit der kammermusikalisch geschärften Spielweise des Luzerner Orchesters. Zuhören ist exakt das, was der Geiger zu diesem Konzert zu sagen hat: „Für mich ist das Violinkonzert eines der lyrischsten Werke, die Beethoven je geschrieben hat, und doch ist die Kraft des Geistes immer präsent und offensichtlich. Sein Sinn für Struktur, die perfekte architektonische Ausgewogenheit ist auf dem Höhepunkt, sie verstärkt nur die aufsteigende Lyrik und die höchst menschliche Stimme der melodischen Essenz, die nie versagt, das Herz zu berühren.“
Mit Schnittke und damit auch mit dessen Violinkonzert-Konzert ist diese Aufnahme des Beethoven-Konterts durch Solo-Kadenzen verbunden, die Schnittke Mitte der siebziger Jahre für Gidon Kremer geschrieben hat und die seinerzeit in Konzertsälen ob ihrer abstrakten Modernität manchen Tumult aber auch Begeisterung ausgelöst haben. Zwischenzeitlich ist es um diese Einwürfe Schnittkes ins Beethoven-konzert recht ruhig geworden. Um so interessanten und auch wichtiger ist es, dass Vadim Gluzman sich für diese Kadenzen entschieden hat.
Nicht wirklich überraschend dürfte sein, dass im Konzert von Schnittke die Kadenz eine prominente Rolle spielt. So beginnt das Werk mit einer ausgedehnten Kadenz, die schlussendlich von Bläsern begleitet wird. Der erste Satz verläuft dann nahezu als Geigensolo mit skeletthaften Orchestereinwürfen. Erst im zweiten Satz, während dessen Verlauf sich auch ein veritables Streichquartett zu Worte meldet, findet echtes Konzertieren, ein Geben und Nehmen zwischen Geige und Orchester statt. Das Finale bringt die höchsteigenwillige, polystilistische Komponierkunst Schnittkes voll zur Geltung und erinnert an Schubert und Mahler sowie an russisch-orthodoxe Gesänge. Geiger und Orchester bewegen sich in der teils skurrilen Tonwelt Schittkes wie die Fische im Wasser.
Dieses Album lebt vom ungewöhnlichen Kontrast der beiden so unterschiedlichen Kompositionen ebenso wie von der Interpretationskunst des Geigers und dessen perfektes Zusammenspiel mit dem Orchester, dessen Dirigent ein entscheidender Anteil am Gelingen des Beethoven-Schnittke-Projekts zukommt.
Vadim Gluzman, Violine
Luzerner Sinfonieorchester
James Gaffigan, Dirigent