Bachkantate, BWV 94 - Was frag ich nach der Welt Chor & Orchester der J.S. Bach-Stiftung, Rudolf Lutz
Album Info
Album Veröffentlichung:
2019
HRA-Veröffentlichung:
15.02.2019
Label: J. S. Bach-Stiftung
Genre: Classical
Subgenre: Choral
Interpret: Chor & Orchester der J.S. Bach-Stiftung, Rudolf Lutz
Komponist: Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Das Album enthält Albumcover
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- Johann Sebastian Bach (1685 - 1750): Was frag ich nach der Welt, BWV 94:
- 1 Was frag ich nach der Welt, BWV 94: I. Chor - Was frag ich nach der Welt 02:41
- 2 Was frag ich nach der Welt, BWV 94: II. Arie (Bass) - Die Welt ist wie ein Rauch und Schatten 02:21
- 3 Was frag ich nach der Welt, BWV 94: III. Rezitativ (Tenor) - Die Welt sucht Ehr und Ruhm 03:32
- 4 Was frag ich nach der Welt, BWV 94: IV. Arie (Alt) - Betörte Welt, betörte Welt! 05:14
- 5 Was frag ich nach der Welt, BWV 94: V. Rezitativ (Bass) - Die Welt bekümmert sich 02:28
- 6 Was frag ich nach der Welt, BWV 94: VI. Arie (Tenor) - Die Welt kann ihre Lust und Freud 04:18
- 7 Was frag ich nach der Welt, BWV 94: VII. Arie (Sopran) - Es halt es mit der blinden Welt 03:07
- 8 Was frag ich nach der Welt, BWV 94: VIII. Choral - Was frag ich nach der Welt (Live) 01:43
Info zu Bachkantate, BWV 94 - Was frag ich nach der Welt
Für Sopran, Alt, Tenor und Bass, Vokalensemble, Flauto traverso, Oboe I+II, Streicher und Basso Continuo.
Man täte der zum 9. Sonntag nach Trinitatis 1724 komponierten Kantate «Was frag ich nach der Welt» Unrecht, würde man sie allein als konventionelles Beispiel protestantischer Weltverachtung missverstehen. Steckt sie doch voller subtiler Argumentationen und Botschaften, die Bach zu sensiblen und ungewöhnlichen Lösungen angeregt haben.
Vertiefte Auseinandersetzung mit dem Werk: Ihr Eingangschor klingt mit seiner leichtfüssigen Traverso-Partie und dem wie hingetupft wirkenden Orchestersatz kaum nach Weltschmerz und Vanitas, sondern nach freudvoller Hinwendung zu einem lichten Ziel. Es ist ein Satz, der wie wenige andere geeignet ist, den oft mit Bach-Aufführungen verbundenen Ton lastender «Wichtigkeit» zu vermeiden und die ursprüngliche Frische seiner Entwürfe zu entdecken. Der in seinen blockhaften Einsätzen sehr fassliche Choreinbau wird durch feinziselierte Akzente wie die gestrichenen Liegetöne nach «Du, du bist meine Ruh» belebt, die in diesem durchsichtigen Umfeld besondere Wirkung entfalten.
Die Bassarie beginnt mit einer bogenförmigen Continuo-Geste, die den Worten des Solisten Gewicht verleiht. Dessen Auftritt gleicht allerdings mehr einem nachdenklichen Selbstgespräch als einer donnernden Predigt. Hier spricht ein lebenskluger Weltkundiger, der um das beständige «Brechen und Fallen» der menschlichen Hoffnungen weiss und daher den auch musikalisch hervorgehobenen «Halt» in Jesu sucht. Die von einem quasiostinaten Generalbass vorangetriebene Arie intensiviert sich gegen Ende – nach der Welt fragen meint hier, sich entschlossen von ihr zu lösen.
Das Tenorrezitativ, das schmeichelnde Holzbläserklänge und ausgeschmückten Choralvortrag mit rezitativischen Einschüben verknüpft, offeriert einen Katalog törichter Weltideen, die in ihrer Hohlheit demaskiert werden. Bach und sein Librettist scheinen genau hingeschaut zu haben, wer in ihrem Leipzig «aufgeblasen» einherschritt und an seinem eitlen «Hochmutsturm » baute; umso schockierender ist es, wenn dann in drastischen Worten vorgeführt wird, wie rasch alles zu Ende gehen kann: Dem «armen Erdenwurm» nützt dann kein «großer Staat» mehr, denn in der Gruft ist alle Pracht verschwunden! Wie bitter diese Einsicht fällt, hört man der dritten Choralzeile mit ihrem mühsam errungenen Belcanto an; es ist dann der sorgsam eingeführte Jesus-Name, der dem Erzähler hilft, die Perspektive umzudrehen und die Verachtung der Welt als einem treuen Christen gebührende Anzeichnung anzunehmen.
Darauf folgt mit der Altarie eine Adagio- Meditation, die durch die obligate Traversflöte einen fahlen Vergänglichkeitston erhält. In dieser Klage über die verblendeten Menschenkinder lassen Trauer und Enttäuschung die schmerzlich geschärfte Vokallinie immer wieder abreissen; der geschwinde Mittelteil zeigt sich dann entschlossen, anstatt des eitlen Mammons Jesum zu erwählen – ein Verheissungswort, das in einer berührend verlangsamten Wendung zelebriert wird, ehe ein verkürztes Dacapo der «betörten Welt» endgültig den Laufpass gibt.
Mit dem Bassrezitativ setzt Bach seine auslegende Choralarbeit fort. Erneut schmückt der Solist die Melodie dezent aus, wozu der chromatisch absteigende Generalbass das Bedeutungsfeld von «Bekümmernis» und «Verachtung » aufruft. Doch wird in den diskursiven Einschüben eine neue Haltung bezogen, die diese Qualen als selbstverschuldete Folge äusserlicher Verstrickungen auffasst, für die man sich angesichts des göttlichen Geschenks nur schämen könne. Mit der zu den Worten «Ich trage Christi Schmach, solang es ihm gefällt » absichtsvoll in einen Aufstieg umgekehrten Begleitfigur wird so eine heilsamere Interpretation des Leidens in der Welt nahegelegt, die in der Identifikation mit dem Heiland ihren Sinn findet.
Damit ist der Umschlag erreicht und der Tenor kann eine beschwingte Arie im 12⁄8-Takt anstimmen, die in ihrer kompakten Zugänglichkeit auch von Telemann stammen könnte. Grundaffekt ist dabei der Spott über die gleissende Selbstanbetung der Welt, die wie ein blinder Maulwurf nach wertlosen Schätzen gräbt und dafür den verlockenden Himmel stehen lässt. In dieser zuweilen eifernden Konvertitenmusik tritt uns ein geläuterter Junkie entgegen, der nur zu genau weiss, wovon er sich hier distanziert.
Daher hat es seine Logik, dass mit der Sopranarie ein stilleres Bekenntnis folgt, durch das die warm strömende Oboe d’amore die Singstimme wie ein trostreicher Seelenfreund geleitet. Die in aller Zartheit ein wenig trockene Motivik mag auf die «Mühen der Ebenen» verweisen, die ein tugendgerechter Lebenslauf mit sich bringt.
Der abschliessende zweistrophige Choral bringt im kraftvollen vierstimmigen Satz die Botschaft der Kantate auf den Punkt: Alle weltlichen Güter können den «blassen Tod nicht binden», die beständigste Wertanlage bleibt das Vertrauen auf das in Jesu erlangte Himmelreich.
Chor & Orchester der J.S. Bach-Stiftung
Rudolf Lutz, Leitung
Rudolf Lutz
(1951) ist Dozent für Improvisation an der Hochschule für Alte Musik «Schola Cantorum Basiliensis» und für Generalbass an der Hochschule für Musik Basel. An dieser Hochschule für Historische Aufführungspraxis unterrichtet er zusammen mit drei Kollegen rund 30 Studentinnen und Studenten der Abteilung Tasteninstrumente. In Konzerten und Workshops ist er ein gefragter Spezialist für historische Improvisationspraxis.
In St. Gallen ist Rudolf Lutz seit 1973 Organist an der evangelischen Stadtkirche St. Laurenzen. Er leitete zwischen 1986 und 2008 den Bach-Chor und stand dem St. Galler Kammerensemble 1986 bis 2010 vor.
2006 wurde Rudolf Lutz zum künstlerischen Leiter der J.S. Bach-Stiftung berufen. Im Hinblick auf die geplante Gesamtaufführung von Bachs Vokalwerk hat Rudolf Lutz in Zusammenarbeit mit anderen Musikern Chor & Orchester der J. S. Bach-Stiftung sowie ein ständiges Ensemble von Solisten aufgebaut.
Chor & Orchester der J. S. Bach-Stiftung
wurden 2006 von Rudolf Lutz gegründet. Das Ensemble besteht aus Berufsmusikerinnen und -musikern aus der ganzen Schweiz, Süddeutschland und Österreich, die sich in der historischen Musizierpraxis gut auskennen und diese undogmatisch in den Dienst einer modernen, vitalen Interpretation stellen. Chor und Orchester bestehen aus einer festen Stammbesetzung, die je nach Erfordernis der Werke ergänzt wird. Den Chor bilden junge Berufssängerinnen und -sänger in variabler Besetzung bis zu vierzig Personen, wobei einzelne Sängerinnen und Sänger auch immer wieder die Chance bekommen, solistische Aufgaben zu übernehmen.
Seit Oktober 2006 erarbeitet dieses Ensemble im Monatsrhythmus Bachkantaten. Diese kontinuierliche Arbeit unter der Leitung des Dirigenten Rudolf Lutz hat das Ensemble zusammenwachsen und reifen lassen. Heute verfügt es über einen homogenen, facettenreichen Klang und eine grosse Erfahrung in der Interpretation von Bachwerken. Begeisterte Kritiken bestätigen das hohe Niveau und die Lebendigkeit seines Spiels. Chor & Orchester der J. S. Bach-Stiftung haben ihre Konzerttätigkeit über den Aufführungsort Trogen hinaus ausgeweitet und treten mittlerweile national und international auf.
Dieses Album enthält kein Booklet