Biographie Giora Feidman & Friends


Giora Feidman
Ein Leben wie ein Lied mit immer neuen Strophen.

Auch große Karrieren haben ihren Anfang im Kleinen. Bei Giora Feidman ist das über 70 Jahre her.

Giora Feidmann wird am 25.03.1936 als Sohn jüdischer Einwanderer aus Bessarabien in Argentinien geboren. Er hat die Musik im Blut: Sein Vater ist Musiker wie schon der Großvater.

"Von Anfang an, vom Tag meiner Geburt haben mich Lieder begleitet. Fast immer vollzieht sich unsere erste Berührung mit Musik durch eine menschliche Stimme, deren Singen uns beruhigt, uns tröstet, uns fröhlich macht. Für mich waren das die jiddischen Lieder, die meine Mutter für mich sang, als ich ein kleines Kind war - und später, als junger Musiker, die Lieder von Schubert. Mit beiden bin ich groß geworden, von beiden habe ich gelernt und beide sind mir sehr nah."

Der junge Feidman wächst in der Hauptstadt Buenos Aires auf, lernt Klarinette, musiziert schon als Kind mit seinem Vater auf Festen und erhält mit 18 Jahren eine Anstellung als Klarinettist am Teatro Colon, der renommiertesten Opernbühne Südamerikas.

Wie Hunderttausende anderer Juden zieht es auch ihn in den neu gegründeten Staat Israel. 1956, mit 21 Jahren, verlässt er Buenos Aires und erreicht nach einer langen Schiffsreise in Haifa das Gelobte Land. Er hat einen Vertrag mit dem Israel Philharmonic Orchestra in der Tasche, den ihm der Dirigent Paul Kletzki vermittelt hat. Schon am Tag nach der Ankunft beginnen für ihn die Proben, und noch in der ersten Woche hat Feidman seinen ersten Solo-Auftritt. Er kommt und ist da.

18 Jahre lang wird er Mitglied des Orchesters bleiben. In dieser Lebensphase tritt er auf den Welttourneen des IPO in nahezu allen wichtigen Konzertsälen auf, unter vielen großen Dirigenten, wie Leonard Bernstein, Karl Münch, Raffael Kubelik, John Barbirolli und Eugene Ormandy sowie Zubin Mehta. Faszinierende Jahre.

Mit der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 erfüllt sich ein Traum. Die 2000-jährige Diaspora ist überwunden. Aus allen Ländern strömen Juden hoffnungsvoll nach Palästina. Im geistigen Handgepäck führen sie eine Last bitterer Erfahrungen und Verletzungen mit sich.

Aber auch schöne Rückblicke an die Gastkulturen, in denen sie so lange lebten - und musikalische Erinnerungen. Der Begriff "Melting Pot", üblicherweise für die Multikulti-Gesellschaft der USA benutzt, trifft auf Israel genauso zu.

Dies ist das neue Umfeld des Klarinettisten Giora Feidman: ein kulturelles Kaleidoskop unterschiedlichster Farben, Sprachen, Traditionen und Klänge, die nun im jungen Israel verschmelzen. Die jiddischen Lieder der Juden Osteuropas erweisen sich dabei als ganz besonders prägend.

Feidman, der bei seiner Ankunft in Israel weder Hebräisch noch Jiddisch sprechen kann, nicht einmal Englisch, saugt all dies in sich auf - und findet sich darin wieder.

"Erst als ich in Israel war, wurde mir bewusst, wie wichtig jüdische Musik für mich sein würde. Damals konnte ich noch nicht wissen, wie sehr diese Musik eines Tages mein Leben und meine Karriere als Musiker verändern und bestimmen würde."

"Die jüdischen Lieder sind ein untrennbarer Bestandteil der jüdischen Kultur und Gesellschaft. In der Einfachheit der Melodien verbirgt sich eine große spirituelle Tiefe und gleichzeitig ist die jiddische Sprache ein kraftvolles Medium, um 'Leben' auszudrücken."

Klezmer, die Sprache der Seele: Die einzigartige Musik der osteuropäischen Juden heißt "Klezmer". Die Klezmorim waren Wandermusiker, die ihre Lieder durch die Lande trugen und in den jüdisch geprägten Städtchen ("Schtetl") aufspielten, insbesondere zu Hochzeitszeremonien, Festessen und zum Tanz.

Das Lebensgefühl dieser in Osteuropa heimisch gewordenen Heimatlosen schwankte zwischen Melancholie, Verzweiflung und ausgelassener Freude in unbeschwerten Stunden. Diese widersprüchlichen Stimmungen kommen in der Klezmer-Musik zum Ausdruck. Sie kann mitreißend sein, lustig und lebensfroh, aber auch zu Tränen rühren.

Emigrierten osteuropäische Juden, so vermischte sich ihre über Jahrhunderte weitergegebene Musik mit dem Sound der Gastländer: in den USA mit dem Jazz, in Argentinien mit dem Tango. All diese klanglichen Varianten treffen im jüdischen Staat aufeinander und vermengen sich aufs Neue, auch mit arabischen Elementen. Sie werden zu Liedern eines Volkes, das wieder Volk sein darf, doch seine Identität erst finden muss.

Giora Feidman taucht tief ein in diesen "Jewish Soul", nimmt Einflüsse auf und entwickelt sie in seinen Interpretationen weiter. Die Klarinette erweist sich als ideales Instrument, um emotionale Nuancen zum Ausdruck zu bringen. Mit einer kleinen Gruppe reist er durch die Kibuzzim und spielt auf. Die Renaissance des Klezmer nimmt ihren Lauf.

Zu Beginn der 70er Jahre verlässt Feidman das Israel Philharmonic Orchestra und gibt im Ausland Klezmer-Konzerte. Und die Welt hört ihm zu - zum Erstaunen vieler, die diese Volksmusik als nicht salonfähig betrachteten wurde. Die bekannte jüdische Komponistin Ora Bat Chaim, Protagonistin der in den 60er Jahren aufkommenden Klezmer-Bewegung, erinnert sich:

"Immer und immer wieder wurde mir mitgeteilt, es gäbe kein Publikum für einen Künstler, unabhängig davon wie talentiert er sei, um ein vollständiges Abendprogramm mit jüdischer Musik zu bestreiten. Wie sehr sie sich geirrt haben. Meine jahrelange Erfahrung sagte mir, dass Maestro Feidmans Fähigkeiten als Musiker und Entertainer gerade dies ermöglichen würden. Seine bahnbrechenden Konzerte erhielten weltweit "standing ovations"- und das spricht für sich selbst."



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